Samstag, Juni 17, 2006

Guido Görres - Der Tod der Jungfrau

Aus dem Buch: Görres, Guido - Die Jungfrau aus Orléans

Der Tod der Jungfrau

O schweige, Herz! nicht klagen!
Daß dir die Welt nichts bot,
Als nach den Schmerzenstagen
Den schmerzenreichen Tod;
Schon hebt es an zu tagen,
Der ew'ge Morgen graut,
Und Gottes Engel tragen
Zum Himmel seine Braut.

Wie liegen doch voll Trauer,
Rouen, die Straßen dein;
Wie bist du, Stadt, voll Schauer
Bei lichtem Sonnenschein;
Statt Festgesang und Reigen,
Statt Jubel und statt Lust,
Hält nun ein düst'res Schweigen
Gefangen diese Brust.

Die finsteren Blicke senken
Wohl tausende im Kreis,
Sie flüstern, was sie denken,
Mit bangen Lippen leis.
Nur eine Glocke tönet
So dröhnend durch die Luft,
Als ob ein kranker stöhnet,
Als sänk' ein Sarg zur Gruft.

Die Jungfrau, die geschlagen
Den Feind im Schlachtendrang.
Wird nun auf schwarzem Wagen
Geführt den letzten Gang:
Doch nicht zum Grab, dem guten,
Das müden Leib empfängt,
Nein, zu dem Grab der Gluten,
Das Lebende versengt.

Vor der mit bangem Zagen
Die Ritter floh'n im Streit,
Die Gottes Schwert getragen,
Die Frankreich kühn befreit:
Die willst du jetzt verderben
O England rachentbrannt!
Soll die im Feuer sterben,
Die strafend Gott gesandt!

Wähnst Gott du zu verdammen
Durch falscher Richter Trug,
Zu heilen in den Flammen
Den Arm, den er zerschlug!
O sieh' zum Tod sie gehen
So mild und engelgleich,
Sieh', deine Richter stehen
So bang und schuldengleich.

Sind das die Siegeskronen,
Die man der Heldin flicht?
Hat Frankreich, sie zu lohnen,
Nichts als ein Hochgericht?
Wo sind, o Karl, die Ritter
Die sie mit Sieg geziert?
Verläßt du also bitter,
Die dich zum Thron geführt?

Wie auf dem Drachenbilde
Marg'reta betend kniet,
So knieet dort die Milde
Von Flammen schon umglüht;
Die Welt zu ihren Füßen,
Zu Gott das Aug' hinan,
Beginnt den schmerzlich süßen,
Den letzten Gang der Schwan.

"O Gott, sei hoch gepriesen
Für Gnaden ohne Zahl
So unverdient erwiesen
Die Magd vom Hirtenthal;
Dir einzig sei die Ehre,
Die Siege, Herr, sind Dein,
Ach, Gande nur gewähre
Für alle Sünden mein."

"Und ihr, in weiten Kreisen,
Ihr alle, Freund und Feind!
Laßt mich euch Brüder heißen,
Seid mir in Gott vereint;
Und wollt Verzeihung schenken,
Wenn ich euch weh' getan,
Wie ich nicht will gedenken,
Was ihr mir angetan."

"Doch an des Königs Adel
Vergeife seiner sich;
Und habt ihr einen Tadel,
Der Tadel treffe mich;
Ich ruf' zur letzten Stunde:
Es war des Herren Hand,
Nicht Trug noch Zauberstunde.
Der Herr hat mich gesandt."

"Nun, wollt ein ein Kreuz mir reichen,
Ein Kreuz gebt mir zur Hand,
Es sei zum Kreuzeszeichen
Im Tod mein Blick gewandt.
Ein Kreuz ja sah mich ziehen,
Als mich der Sieg gegrüßt,
Am Kreuze will ich knieen,
Wenn mich der Tod umschließt."

Das Feuer wogte grimmer,
Da sprach sie hingewandt
Zum Priester, der noch immer
Zur Seite betend stand:
"O weiche aus dem Feuer,
Laßt mich allein im Tod,
Und halt' ein Kreuz, du Treuer,
Mir vor in dieser Not."

Und einsam in den Gluten
kniet jetzt das Marterbild,
Und ihre Blicken ruhten
Auf ihrem Heiland mild;
Und als sie heiß umschließend
Die Flammen ihm getraut,
Rief sie im Tode ihn grüßend
Den Namen Jesu laut.

Und süß wie Ton der Flöten,
Wie Himmelssang erklingt,
Wenn aus der Erde Nöten
Sich eine Taube schwingt:
So rief sie Jesu fröhlich,
O Jesu, rief sie laut,
So grüßt in Liebe selig
Den Bräutigam die Braut.

Scharf hat ans Herz geschlagen
Den Richtern schuldbeschwert
Der Name, den mit Zagen
Der Geist der Hölle hört.
Es sakt sie im Gewissen
Ein ander Feuer heiß,
Das hat sie weggerissen
Hinweg aus diesem Kreis.

Wohl hat die Glut verzehrt
Das jungfräulche Bild,
Doch ließ sie unversehrt
Das Herz, so stark und mild;
Denn wo auf heil'gem Herde
Geglüht des Himmels Glut,
Erlosch die Glut der Erde,
Erlosch der Flammen Wut.

Drum wolle, Herz, nicht klagen,
Wenn dir die Welt nichts bot,
Als nach viel Schmerzenstagen
Den schmerzenreichsten Tod;
Schon hebt es an zu tagen,
Der ew'ge Morgen graut,
Und Gottes Engel tragen
Zum Himmel seine Braut.

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