Mittwoch, April 11, 2007

Jeanne d'Arc - Mumie, Katze, Relique

Wer in diesen Tagen etwas über Jeanne d'Arc erfahren möchte, kommt um ein Thema nicht umhin: Die Jeanne d'Arc-Relique aus Chinon.


Zur Geschichte

Am 30. Mai 1431 wurde Jeanne d'Arc auf dem Marktplatz in Rouen nach einem aufwendigen Prozess sorgfältig verbrannt und anschliessend ihre Asche von einer Brücke in die Seine gestreut. Damals wollten die Engländer sicherstellen, dass von dieser Frau nichts greifbares übrig bleibt. Sie quasi von dieser Erde getilgt wird.

Einige hundert Jahre später (1867) findet man auf dem Dachboden einer Pariser Apotheke einen Behälter mit der Aufschrift "Überreste, die unter dem Scheiterhaufen von Jeanne d'Arc, Jungfrau von Orléans, gefunden wurden." (lt. spiegel.de), mit einigen Knochen, Stofffetzen und Holzstückchen.

Ich kürze etwas ab: Irgendwie fanden die erwähnten Knochen ihren Weg nach Chinon und galten seither als umstrittene Relique.


Eine umstrittene Relique

Die Engländer haben am 21. November 1430 in Armas für Jeanne d'Arc etwa 10.000 écus an die Burgunder bezahlt, um sie in ihre Hände zu bekommen. Damals ein unglaublich hoher Preis. Von Anbeginn stand der Ausgang des bevorstehenden Prozesses fest. Sie musste unter allen Umständen verbrannt werden und durfte nicht eines natürlichen Todes sterben, "dafür sei sie zu teuer gewesen."

Jeanne war dem englischen König ein absoluter Dorn im Auge, verbreitete sie unter seinen Soldaten doch eine bisher unbekannte Angst. In verschiedenen Kämpfen und Schlachten kam es vor, dass englische Soldaten allein beim erblicken von Jeanne d'Arc, die Beine in die Hand nahmen und lieber flüchteten als zu kämpfen. Erschwerend kam hinzu, dass das Volk und Soldaten auf Seiten der 'Franzosen' neuen Mut fasste und höchst motiviert in den Kampf gegen die Engländer zogen. Somit vermutete man in England, dass mit dem Ausmerzen dieser Person, aller Widerstand endgültig gebrochen werde.

Also wurde sichergestellt, dass sie im Prozess von 1431 für schuldig befunden und ohne weltliches Gerichtsurteil, unmittelbar auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Da nach der ersten Verbrennung noch einige Überreste, einige Knochen und Herz, vorhanden waren, wurden diese nochmalig verbrannt und ihre Asche anschließend in die Seine gestreut. Nichts durfte von ihr übrig bleiben, da man auch damals schon sehr genau wusste, dass sonst ein Handel mit diesen Reliquen betrieben würde, oder noch schlimmer, diese Reliquen den Kampf auf französischer Seite erst recht motiviert.

Was macht man in diesem Fall? Man vernichtet restlos was von ihr greifbar ist.

Es ist davon auszugehen, dass die Engländer hierbei sehr sorgfältig vorgegangen sind, da entsprechende Weisungen direkt vom König stammten.

1867 tauchen aus dem Nichts die vorher in keinem Dokument erwähnten Reste von Jeanne d'Arc auf. Wie hoch wird die Chance sein, dass die Engländer 1431 nach dem Bezahlen des ausserordentlich hohen Lösegelds, nach einem aufwendigen und manipulierten Prozess und sorgfältiger Verbrennung unter Umgehung des weltlichen Gerichtes und Urteils, dass diese Knochen echt sind?

Für mich war von vornherein deutlich, dass diese Knochen und Stofffetzen niemals echt sein können. Dafür muss man auch nicht besonders clever sein, sondern einfach nur 1 und 1 zusammenzählen bzw. sich in die Lage der Engländer von 1431 versetzen.


Fazit

So überraschend finde ich die Erkenntnis dieser Untersuchung nicht, auch wenn manche Zeitungen es gern als Rückschlag titulieren möchten: "Für die Forschung nach der historischen Johanna von Orléans ist die exotische Fälschung ein Rückschlag." (Spiegel.de) Ich frage mich nur, welcher Rückschlag ist hier gemeint?


Der Bericht
NATURE.COM 4 April 2007; | doi:10.1038/446593a
Joan of Arc's relics exposed as forgery



Berichte über den Bericht bei nature.com

AFP 04/04/2007 22h03
Knochen von Jeanne d'Arc stammen von ägyptischer Mumie

"Johanna von Orléans war 1431 im Alter von 19 Jahren in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden, nachdem sie im Hundertjährigen Krieg eine Revolte gegen die englische Besatzungsmacht angeführt hatte."

Von einer 'Revolte' lässt sich eigentlich nicht mehr sprechen.

"Zweifel an der Echtheit gab es schon lange, weil die Engländer angeordnet hatten, die Asche der Aufständischen in der Seine zu verstreuen, um einen Märtyrer-Kult zu verhindern."

An dieser Stelle ist AFP einer der wenigen, die dies überhaupt erwähnen.



DIE WELT 5. April 2007, 08:31 Uhr
Untersuchung - Reliquien von Jeanne d’Arc gehören zu einer Mumie

"Im Hundertjährigen Krieg zwischen Frankreich und England führte die junge Frau eine selbst zusammengestellte Einheit an und vertrieb die Engländer aus den Burgen südlich der Loire."



SPIEGEL.DE 05. April 2007
HISTORISCHE FÄLSCHUNG
Angebliche Jeanne d'Arc-Reliquie stammt von ägyptischer Mumie

"Für die Forschung nach der historischen Johanna von Orléans ist die exotische Fälschung ein Rückschlag."

Für welche Forschung ein Rückschlag?

Und auch hier:

"Im Hundertjährigen Krieg zwischen Frankreich und England führte die junge Frau eine selbst zusammengestellte Einheit an und vertrieb die Engländer aus den Burgen südlich der Loire."



DIE PRESSE 04.04.2007 | 21:34 |
Paläopathologie: Reliquien der Jeanne d'Arc gefälscht

"1431 wurde sie verbrannt, gleich dreimal, auf dass nichts als Asche übrig bliebe, und doch wollen Augenzeugen auch unversehrte Organe gesehen haben, es galt bald als Wunder."

Das das Herz nach einer Verbrennung nahezu unversehrt scheint, ist nicht so selten, wie man glauben könnte.

"Der Backstein passt zur Legende, Jeanne d'Arc war nicht an einen Holzpflock gebunden worden, sondern an einen gemauerten, das Sterben sollte länger dauern."

Ich schwöre, es ist das erste Mal, dass ich von einem 'gemauerten' Pflock lese!?



SUEDDEUTSCHE.DE 04.04.2007, 18:32
Französische Nationalheldin Jeanne d’Arc Überreste stammen von Mumie

Auch hier haben wir wieder eine Revolte:

"Johanna von Orléans war 1431 im Alter von 19 Jahren in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden, nachdem sie im Hundertjährigen Krieg eine Revolte gegen die englische Besatzungsmacht angeführt hatte."

Und wenige Zeilen weiter:

"Die aus dem lothringischen Dorf Domrémy stammende Bauerntochter Jeanne d’Arc hatte im Mai 1429 als 17-Jährige an der Spitze französischer Truppen gestanden, die Orléans von englischer Besatzung befreiten."



NETZEITUNG.DE 05. Apr 09:45
Forscher finden Mumie in Jeanne d'Arcs Grab

Ist ein Glasbehälter ein Grab?



Lesenswerte Berichte

DER STANDARD 05. April 2007, 18:51
Ende einer Legende

DER STANDARD 05. April 2007, 18:48
Kopf des Tages: Französische Nationalheilige der Herzen

DEUTSCHLANDFUNK
Johanna von Ägypten

Dienstag, April 10, 2007

Ene Fru ut Frankriek

Für meine Landsleute:

De plattdüütsche Utgaav vun Wikipedia:
Jeanne d'Arc (Jungfrau von Orleans; * 6. Januar 1412; † 30. Mai 1431) weer ene Fru ut Frankriek, ut lothringsche Grenzrebeet. Wegens ehr Heer warr dat ingelsche Heer, dat tosamen mit Burgund gegen Frankriek in’n Orlog weer, slagen. Siet 1920 warrt se vun de röömsch-kathoolsche Kark as hillig gellen laten. Jeanne d'Arc worr vun ingelsche Lüüd verbrannt.

Quelle: De plattdüütsche Utgaav vun Wikipedia/Jeanne d'Arc

Jeanne in Öl


Quelle: Heidemarie Kull /Werke/Ölmalereien/Serie I/Raum 9

Jeanne d'Arc von Heidemarie Kull
Öl auf Leinwand
50x60 cm
1993

Nach etwas Abstinenz mal wieder etwas buntes über die Jungfrau.

Kleiner Tipp: Sehenswert sind die Werke von Heidemarie Kull zum Thema 9/11.